[Wien] EU Urteil: Vermittlern von Diens- ten der Informationsgesellschaft (so der EU-Deutsch-Terminus für „Pro- vider“)

Sa Dez 1 21:29:37 CET 2012

was denkt Ihr darüber?

vermitteln? brauchen wir ein neues 2 es Internet?
Tausch-Börse, Peer-to-Peer-Daten- austausch – diese Begriffe um- schreiben für die Musik- und Film- Branche nichts anderes als syste- matische Urheberrechtsverletzung; ermöglicht durch Internet. Nun sollte ein Provider in die Pflicht genommen werden, Filtersysteme einzurichten. Sind die Sorgen um die ACTA-Kon- vention daher berechtigt?

Das EU-Recht hat das Internet umfas- send reguliert: Die Richtlinie 2000/31/ EG regelt den elektronischen Ge- schäftsverkehr, die Richtlinie 2001/ 29/EG Aspekte des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft, die Richtlinie 2004/48/EG die Durchset- zung geistigen Eigentums, die Richtli- nie 95/46/EG den Datenschutz allge- mein, die Richtlinie 2002/58/EG den Datenschutz in der elektronischen Kommunikation.

Gestützt auf dieses Regelwerk klag- te die belgische Verwertungsgesell- schaft für Autoren, Komponisten und Verleger (SABAM) den Inter- netprovider Scarlet darauf, ein Fil- tersystem gegen den Austausch un- rechtmäßiger Kopien von Filmen und Musik einzurichten. Denn das EU-Recht sieht vor, dass staatliche Gerichte Überwachungspflichten in spezifischen Fällen anordnen kön- nen. Dass der Diensteanbieter zwar nicht verantwortlich ist, wenn er den Datenverkehr nicht selbst ver- anlasst, er aber bei Hinweisen auf Rechtsverletzungen tätig werden muss, ist klar geregelt. Daher kann der Geschädigte schlussendlich auch Maßnahmen gegen eine Mit- telperson beantragen, deren Diens- te von einem Dritten dazu genutzt werden, das gewerbliche Schutz- recht des Rechtsinhabers zu ver- letzen. So deutlich sind die Erläu- terungen zu den Richtlinien. Die Rechte des Urhebers müssen effek- tiv durchsetzbar sein, postuliert Art 3 der RL 2004/48.

Mag. Ralph Kilches

Das Gericht Première Instance in Bruxelles stellte fest, dass Urheber- rechtsverletzungen von den Inter- netnutzern des Providers Scarlet begangen werden und bestellte ei- nen Sachverständigen. Dieser kam zum Ergebnis, dass trotz zahlrei- cher technischer Hindernisse nicht vollständig ausgeschlossen sei, dass ein unzulässiger Austausch von Da- teien, die Urheberrechtsverletzun- gen enthalten, heraus gefiltert wer- den kann. Daraufhin ordnete das Gericht bei sonstigem Zwangsgeld an, dass der Internetprovider Urhe- berechtsverletzungen mittels Peer- to-Peer-Programm abstellen müsse, die ein Musikwerk aus dem Reper- toire von SABAM betreffe. In wei- terer Folge wurde der EuGH durch das Berufungsgericht im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfah- rens befasst (Verfahren C-70/10).

Urteil

Im Urteil vom 24.11.2011 betont der EuGH zunächst, dass er in seiner bisherigen Rechtsprechung sehr wohl ausgesprochen hat, dass die nationalen Gerichte berechtigt

sind, den Vermittlern von Diens- ten der Informationsgesellschaft (so der EU-Deutsch-Terminus für „Pro- vider“) Maßnahmen aufzuerlegen, die Rechtsverletzungen beenden, sondern auch neuen Verletzungen vorbeugen. Nach Art 15 Abs 1 der RL 2000/31 ist es allerdings verbo- ten, einem Provider eine allgemei- ne Maßnahme aufzuerlegen, die ihn dazu verpflichten würde, eine akti- ve Überwachung sämtlicher Daten, die seine Kunden betreffen, vor- zunehmen. Der Schutz von geisti- gem Eigentum ist in Art 17 Abs 2 der Charta der Grundrechte der EU verankert, gilt aber nicht schran- ken und bedingungslos. Zu beach- ten ist das Gleichgewicht mit ande- ren Grundrechten. Denn auch der Provider genießt den Grundrechts- schutz unternehmerischer Freiheit (Art 16). Die Anordnung an den Pro- vider ein kompliziertes, kostspieli- ges, auf Dauer angelegtes alleine auf seine Kosten betriebenes Informa- tiksystem einzurichten, geht daher zu weit. Ein solches System würde auch das Grundrecht der Kunden nach Art 8 und 11 der Charta auf freie Sendung und freien Empfang von Information sowie auf Daten- schutz beeinträchtigten.

Das letzte Wort?

Die Kontroverse zwischen Musik- und Filmindustrie und den Inter- netprovidern ist damit sicher nicht beendet. Mit Hilfe von digitalWa- termarking, entwickelt in den 90er- Jahren, findet etwa Getty Image nachkopierte Digitalfotos im Inter- net. Web-Crawler gegen Rechtsver- letzungen einzusetzen wäre keine neue Technologie. Allerdings muss sich die Musikindustrie selbst bei der Nase nehmen. Würden die di- gitalen Titel besser durch digitale Berechtigungssysteme und Crypto- grafie geschützt, würde das Prob- lem beherrschbar sein. Im Gegen-

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teil. Könnte man ein Lied auf einem Abspielgerät eben nur zweimal an- hören ohne es dann käuflich freizu- schalten,wäredasProblemraschge- löst. Die Verwertungsgesellschaften und die Musikverlage hätten auch sehrwohl die Macht, ein solches Sys- tem einzuführen. Wenn für den Nut- zer sicher gestellt wäre, dass er beim Kauf eines neuen Abspielgerätes sei- ne Rechte übertragen könnte und ferner auf seinen wirklich eigenen Abspielgeräten die Rechte nutzen kann (ab einer gewissen Zahl gegen einen weiteren Aufpreis), wäre die Debatte rasch beendet. Das Problem scheint aber weniger die Technolo- gie zu sein, sondern der notwendige Vertriebs- und Administrationsap- parat. Gratis wird man diesen aber nicht bekommen.

Lehrgang für IT-Recht

Grundlegendes Verständnis für die Rechts- und Gesellschaftsentwick- lung rund um IT-Recht versucht die ADV mit dem 2010 ins Leben geru- fenen „Lehrgang IT-Recht“ zu ver- mitteln. Der Lehrgang wendet sich an IT-Leiter und IT-Verantwortli- che und vermittelt in 6 Modulen, die auch einzeln gebucht werden können, einen tiefen Einblick in die Rechtslage und ihre Entwicklung. „Der Lehrgang wurde für Prakti- ker konzipiert und wird von Prak- tikern vorgetragen“, beschreibt RA Mag. Kilches, als Leiter des Lehr- gangs das Konzept. Eine juristische Ausbildung wird nicht vorausge- setzt. 

mit herzlichem Gruß

Martin Hoefferer-Mildner

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